Brasilianischer Junge

In dieser außergewöhnlichen Geschichte geht es um einen brasilanischen Indianerjungen, der vom Baum fällt und sich das Bein bricht. Was ein paar Steine und das Fell einer Ziege mit seiner Genesung zu tun haben, erfährst du im folgenden Artikel.

 

Der brasilianische Indianerjunge

Auf seiner Reise durch die Welt besuchte Clemens unter anderem auch Brasilien. Im Amazonasgebiet hatte er das Glück, ein paar Tage das Leben von Ureinwohnern zu begleiten. Als er dort war, fiel ein Junge des Stamms vom Baum und brach sich das Bein. Nun war die Frage, wer sich um den Jungen kümmert. Interessanterweise hatten die Ureinwohner dieses Stamms keinen Schamanen. In diesem Stamm funktionierte die Gesundheitsfürsorge anders: Wenn einer krank wurde und das Leiden überlebte, war er ab sofort der Experte dieser Krankheit. Wurde jemand beispielsweise von einer Schlange gebissen und überlebte, wurde er zum „Schlangendoktor“ ernannt.

Ein Mann meldete sich schließlich, trug den Jungen in sein Zelt und behandelte ihn dort. Der ältere Indianer mit langen Haaren fragte den Jungen nach seinen Verwandten und forderte ihn auf, sie herbei zu rufen. Der Verletzte war verdutzt und antwortete: „Wieso, ich habe mir das Bein gebrochen! Meiner Mutter ist es nicht passiert, meinem Vater auch nicht. Die haben damit nichts zu tun.“ Doch, der Medizin-Mann ließ nicht locker. „Deine Familie muss kommen! Wenn nicht deine ganze Verwandtschaft im Zelt erscheint, wirst du sterben.“

Die Heilkräfte der Familie

Da der neue Beinbruchexperte nicht locker ließ, wurde die gesamte Verwandtschaft des Jungen aufgesucht. Seine Eltern, seine Oma, seine Tanten und Onkels kamen. Nur einer aus der Familie weigerte sich – sein Opa. „Wenn dein Opa nicht kommt, können wir mit der Heilung nicht beginnen“, sagte der Mann.

Je länger die Situation anhielt, desto spannender wurde es für Clemens zu verstehen, wie geheilt werden soll. Was sollte der Beinbruch des Jungen mit dem Opa des Jungen zu tun haben, fragte sich Clemens und das fragten sich offensichtlich auch die Familienmitglieder im Zelt. Die Verwandtschaft ging zum Großvater, um ihm vom Besuch seines Enkels zu überzeugen. Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck kam der Opa schließlich ins Zelt. Als die Familie des Jungen komplett war, ging es los:

Alle setzten sich in einen Kreis. Der Hilfsschamane teilte jedem eine Aufgabe zu. Der Onkel wurde zum Fluss geschickt, um im Wasser neun weiße und neun schwarze Steine zu finden. Die Tante schickte der Zeremonienmeister nach Hause, um einen Balsam für den Jungen vorzubereiten. Und der Opa bekam die Aufgabe, seine beste Ziege zu schlachten und dem Jungen das Fell zu bringen, was ihm offensichtlich sehr zusetzte. Nach ein paar Stunden erfüllten alle Familienmitglieder ihre Aufgaben: Die Tante brachte ihrem Neffen den Balsam und der Onkel legte die gesammelten Steine neben den Jungen. Als letzter kam der Großvater ins Zelt. Er hatte das Fell dabei und legte es seinem Enkel liebevoll auf das gebrochene Bein.

Clemens fragte sich: Geht von dem Ziegenfell vielleicht eine besondere gute Wirkung gut für das gebrochene Bein aus? Die Familie fing an zu trommeln. Der Großvater sah seinem Enkel in die Augen und es liefen ihm plötzlich Tränen übers Gesicht. Er umarmte seinen Enkel innig, der seine Zuneigung erwiderte und die Zeremonie wurde nach weiteren Trommel- und Gesangsrunden langsam beendet.

Was war passiert

Der Beinbruch des Jungen heilte unglaublich schnell. So schnell, dass selbst sich ein Arzt darüber gewundert hätte. Doch woran hatte es gelegen? An dem Ziegenfell auf dem Bein des Jungen? An den weißen und schwarzen Steinen, die der Onkel im Fluß aufgesucht hatte? Etwas später wurde Clemens der Hintergrund zu diesem Ereignis erklärt.

Der Junge hatte sich in ein Mädchen aus einem anderen Stamm verliebt. Doch die Regeln seines eigenen Stamms, die für ihn heilig zu sein haben, besagten eindeutig, dass er das Mädchen aus dem anderen Stamm nicht lieben durfte. Mit der Liebe, welche er für das Mädchen empfand, hatte er die Regeln gebrochen und damit seine Angehörigen verraten. Für seinen Großvater, der die Regeln des Stamms besonders stark vertrat, war dies ein nicht entschuldbares Sakrileg. Soetwas wird und wurde in den Indianerstämmen damit geahndet, dass eine solche Person aus dem Stamm ausgeschlossen wird. Das sind dann die Indianer, die zu Hunderten in den Slams der brasilianischen Großstädten landen, wo sie oft dem Alkohol verfallen und ein desolates Leben fristen.

Genau dieses Schicksal stand dem Jungen bevor als er vom Baum fiel und sich das Bein brach.  Das ganze Ritual diente dem Medizinmann also nur dafür dem Jungen eine Chance zu geben gerade nochmal im Stamm bleiben zu können. Der Beinbruch war sozusagen seine unbewusst Notbremse vor seiner Verwahrlosung gewesen.

Heilung durch Liebe

Brasilianischer Junge Wasserfall

Allerdings war noch nicht geklärt, was die weißen und schwarzen Steine mit der Heilung des Jungen zu tun hatten? Neugierig ging Clemens zum Fluss und merkte, dass das Wasser eiskalt ist. Schwarzen und weißen Steinen darin zu finden brauchte sehr viel Geduld, bei der einem die Füße abfrieren. Es ging also weder um schwarze noch um weiße Steine, es ging auch nicht um den mit viel Liebe angerührten Balsam, sondern es ging ausschließlich um das für diese Aktionen aufzubringende Mitgefühl für diesen vom Rauswurf bedrohten Jungen. Um neun weiße und neun schwarze Steine in diesem eiskalten Wasser zu sammeln, muss man den Empfänger lieben, sonst hält man das nicht aus. Nun verstand Clemens auch, warum es beim Großvater die beste Ziege sein musste, denn ein Opfer das kein Opfer ist, ist kein Opfer. Der Großvater musste also über seinen großen Schatten springen, den er auf den Jungen geworfen hatte und damit konnte der Junge bleiben. Das war die Heilung.

All die Aufgaben, die der Zeremonienmeister der Familie aufgetragen hatte, waren der Liebe und Harmonisierung des Konfliktes gewidmet. Der Hilfsschamane hatte den Schrei der Seele des Jungen in dem Beinbruch sofort erkannt und brauchte deshalb nicht auf der mechanischen oder bio-chemischen Ebene verweilen. Er ging sofort auf die geistig-seelische Ebene und sorgte dort dafür, dass die Botschaft des Symptoms bei den Betroffenen ankam und beherzigt wurde. So besiegte die Liebe den Dogmatismus. Der Beinbruch war nur das Mittel zum Zweck. Wenn der Zweck erreicht ist, hat das Mittel gewirkt und kann sich verabschieden, beziehungsweise zurück in seine natürliche Ordnung gehen.

Das Bewusstsein erweitern heilt

Auf der niedrigeren bewusstseinsebene glaubt der Mensch an Zufall und dass der Körper ein Eigenleben besäße. Dabei ist es sonnenklar, dass alles, was sich in diesem Universum manifestiert, nicht aus sich selbst heraus entstehen kann, sondern dafür einen geistigen Impuls benötigt, z.B. eine Idee oder eine Vision. Ohne einen geistigen Impuls entsteht nichts. Wenn nun etwas Schmerzhaftes entstanden ist, wie ein Beinbruch, dann muss der geistige Impuls, der die Ursache dafür ist, ebenfalls etwas Schmerzhaftes gewesen sein. Mit dem Bewusstsein für solche Zusammenhänge, war klar, dass die Konsequenz für die Übertretung der Stammesregeln der geistige Impuls für den Beinbruch war. Mit dem Harmonisierungsritual war diese Ursache rückwirkend beseitigt, und der blitzartigen Heilung stand nichts mehr im Wege.

Genau dieses Bewusstsein lehrt Clemens heute jedem, der oder die es erlangen möchte.